Bondage  2

Es waren einige Wochen nach der Öffnung des Lichttors auf dem Gelände am Bogensee vergangen. Die eigenartige Schwere, die wir dort empfunden hatten, und die Worte von Mike ließen mir keine Ruhe. Ich spürte, dass mit dem Platz selbst, mit der Erde, etwas nicht stimmte.

Eines Tages, als ich in Ruhe auf meinem Sofa saß und meditierte, drang ganz deutlich eine Stimme in mein Bewusstsein. Sie rief meinen Namen und bat mich um Hilfe. Ich war ziemlich erstaunt, denn dass eine Energie aus der geistigen Welt mich namentlich ansprach, war mir neu. Die Energie stellte sich als der Genius Loci* des Platzes um das Goebbels-Haus vor und sagte, dass dort noch etwas zu klären sei und dass ich das unbedingt tun solle.

Ich beschloss, mich geistig auf den Weg zu machen und überhaupt erst einmal in Erfahrung zu bringen, worum es sich handelte. Das wollte ich gerne draußen auf einem Berg mit freier Aussicht tun. An einem nebligen Vormittag im Dezember  machte ich mich mit meinem schamanischen Handwerkszeug auf den Weg. Der Anstieg war mühsam. Zwei Tage vorher hatte es einen der seltenen Schneefälle des Jahres gegeben, der Schnee war hoch und angetaut und durchweichte meine Stiefel.

Als ich den Berg erklommen hatte, lagen Nebel und Wolken unter mir, und die Wintersonne strahlte an einem leuchtend blauen Himmel. Durchgeschwitzt ließ ich mich auf einem Steinbrocken nieder und begann meine Arbeit.

Mein Bewusstsein erfasste erneut den Platz, auf dem wir das Lichttor geschaffen hatten. Ich hielt nach dem Genius Loci Ausschau. Plötzlich erhob sich vor meinem inneren Auge ein Geistwesen, hoch wie ein Haus. Es schwankte hin und her, als versuche es, sich vom Boden zu lösen, was ihm jedoch nicht gelang. War das die dämonische Energie, von der Mike gesprochen hatte? Das seltsame Bild irritierte mich.

Außerdem hatte ich mich verkalkuliert: Der Anstieg hatte mich mehr Zeit und Kraft gekostet, als gedacht. Zusätzlich knurrte mein Magen, und meine Füße waren klatschnass und eiskalt. Keine guten Bedingungen für spirituelle Aktivitäten. Und wer weiß, was da auf mich zu kam und wie viel Zeit ich dafür brauchte. Deshalb vertagte ich den Kontakt auf später, und zwar in der warmen, trockenen Stube, wie ich mir vornahm, und eilte so schnell wie möglich nach Hause.

*) lateinisch:  Geist des Ortes

Dezember 2013

    © Karin Usbeck
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Karin Usbeck, Thüringen